Donnerstag, 2. Juni 2011

„Der Mund eines glücklichen Mannes ist mit Bier gefüllt“

Christi Himmelfahrt. Während die Christen ihrem Glauben nach die Rückkehr Jesu Christi als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel feiern, ist für viele andere Bürger dieser Tag etwas ganz Besonderes: Es ist Vater- bzw- Männertag. Dabei sind für viele Bräuche wie die Herrenpartie Pflicht – genauso wie der „Genuss“ von Bier. Das ist Grund genug, sich heute einmal mit dem Bier, seiner Geschichte und Vielfältigkeit, zu beschäftigen.

Glück muss der Mensch haben
Während es über den Ursprung des Wortes Bier leider keine gesicherten Erkenntnisse gibt – vermutlich stammt es von „biber“ (lat. „Getränk“) ab – ist eines ziemlich sicher: Bier ist das Ergebnis eines Zufalls. Mit großer Wahrscheinlichkeit war vergorener Brotteig der Ausgangspunkt für die Herstellung eines Getränks, das wir als erstes Bier bezeichnen können. Überliefert ist das in Bildern und Keilschrift der alten Sumerer, die um 4000 v. Chr. im Gebiet zwischen Euphart und Tigris (heutiges Irak) siedelten. Ein sumerischer Brotbäcker ließ den Teig zu lange in der Sonne stehen. Daraufhin setzten die Hefekulturen einen Gärprozess in Gang, wodurch eine pappige, klebrige Masse mit berauschender Wirkung. Der Vorläufer des heutigen Bieres war entdeckt.

Eine ägyptische Dienerin beim Biereinschenken
Bier fand aber auch in anderen Ländern viele Anhänger. So standen beim Bau der Pyramiden Cheops, Chevren und Mykerinos in Giseh (ca. 2500 v. Chr.) jedem Arbeiter pro Tag 3 bis 4 Laib Brot sowie 2 Krüge Bier zu. Aus dieser Zeit stammt auch der Ausspruch: „Der Mund eines glücklichen Mannes ist mit Bier gefüllt.“ Auch im Gilgamesch-Epos, einem der ältesten Werke der Weltliteratur, das um 2000 v. Chr. in Babylonien entstand, findet das Bier Erwähnung. Dort heißt es: „Iss nun das Brot, o Endiku, denn das gehört zum Leben, trink auch vom Bier, wie es des Landes Brauch“.

Die Sumerer entwickelten die Bierkultur weiter und kannten schon um 1900 v. Chr. 20 verschiedene Methoden, um aus vergorenem Brotteig Bier herzustellen. Beispielsweise bevorzugten sumerische Frauen eine Biersorte. Acht davon wurden aus Emmer (der ersten kultivierten Weizenart der Menschheitsgeschichte, die dem Dinkel sehr ähnlich ist), das vor allem bei sumerischen Frauen beliebt war, acht weitere aus reiner Gerste und vier aus einem Getreidegemisch hergestellt, und zwar als Dünnbier, feines weißes Bier, rotes Bier, Schwarzbier und Primabier. Die damaligen Biere waren nicht klar und blank (also nicht gefiltert) waren, so dass man Röhrchen benutzte. Bier wurde so beliebt und wichtig, dass im Codex Hammurapi (1728 bis 1686 v. Chr.), der ältesten Gesetzessammlung der Welt, Vorschriften über die Herstellung und den Verkauf von Bier und die Höchstpreise von Bier und Umrechnungsbestimmungen von Getreide zu Bier festgelegt worden.

Zum Brauch wurde das Biertrinken auch bei unseren germanischen Vorfahren. Das belegen zahlreiche Funde von Bieramphoren aus der Zeit um 800 v. Chr. (Fundort ist Kasendorf bei Kulmbach). In den ersten Jahrhunderten nach Chr. bis zum Ende des Mittelalters (ca. 1500 n. Chr.) war das Bierbrauen bei den Germanen genauso wie das Brotbacken Sache der Frauen. Falls ein Sud besonders gut gelang, lud die „Dame des Hauses“ ihre Nachbarinnen zum Bierkränzchen ein – wohl der Vorläufer des späteren „Kaffeekränzchen“.

Das Fasten-Bier entsteht
Sankt Galler Klosterplan
Im frühen Mittelalter wurde das Bierbrauen besonders in Klöstern weiterentwickelt. Eine Chronik aus dem Jahre 820 erwähnt das Schweizer Kloster St. Gallen als erste Brauerei unter der Leitung von Mönchen. Die Mönche brauten im großen Stil und machten dadurch den kleineren bürgerlichen Brauereien Konkurrenz. Im Klosterplan von St. Gallen waren drei Brauereien eingezeichnet:
  • Brauerei und Bäckerei der Pilgerherberge: Das Conventus-Bier für Gesinde und die Bettler gebraut 
  • Brauerei und Bäckerei des Gästehauses: Das Cervisia-Bier, das alltägliche Haferbier, ist für Mönche und Pilger vorgesehen. 
  • Brauerei der Mönche: Das Celia, ein kräftigeres Bier, ist für den Abt und die hohen Gäste gedacht. 
Die Ordensbrüder legten Hopfengärten an und verfeinerten ständig den Geschmack des Bieres. Aber sie arbeiteten auch intensiv daran, ein besonders nahrhaftes und starkes Bier herzustellen. Das war ihnen wichtig, um die harten Einschränkungen der kargen Fastenzeit umgehen zu können, denn „was flüssig ist, bricht kein Fasten“, lautete die Regel. Einer Legende nach schickten bierbrauende Mönche vorsichtshalber eine Probe ihres Spezialbieres nach Rom – zum Papst. Dieser sollte seinen „Segen“ für das Fastengetränk geben. Das Bier-Gebräu überstand den langen Weg aber nicht unbeschadet und kam als saure Brühe vor den Pontifex Maximus, woraufhin dieser das Gebräu eher als eine Buße als eine Freude ansah und deshalb seinen Segen erteilte. Das Geschäft mit dem Klosterbier florierte und viele Klöster wurden durch ihre Braukunst wohlhabend und berühmt.

Die weltliche Brauwirtschaft im Mittelalter
Als die Zeit der der großen Kaufleute, der reichen Handwerker und der Zünfte kam, profitieren von dem wirtschaftlichen Boom selbstverständlich auch die Bierbrauer – vor allem die sich ab 1358 im Hansebund zusammengeschlossenen Städte erlebten einen Aufschwung. Bremen entwickelte sich zum bedeutendsten Brauhandelsplatz und exportiere riesige Mengen Bier nach Holland, Flandern, England und Skandinavien. Hamburg war zu jener Zeit als „das Brauhaus der Hanse“ bekannt. Dort wurde im 16. Jahrhundert in 600 Brauereien Bier hergestellt.

Das Reinheitsgebot von 1516
Leider gab es nicht wenige Brauer, die sich auf Kosten der Zecher bereichern wollten, indem sie Bier panschten. Vor allem im bayerischen Augsburg muss die Bierpanscherei sehr verbreitet gewesen sein, weshalb sich Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) gezwungen sah, den Burgvogt der Stadt im Jahre 1156 anzuweisen, fünf Gulden Strafe zu verhängen, wenn schlechtes Bier ausgeschenkt würde. Eine landesweite Verordnung folgte dann am 23. April 1516. An jenem denkwürdigen Tag verfügten Herzog Wilhelm IV. von Bayern und sein mitregierender Bruder Ludwig X. das Gebot, dass zur Herstellung von Bier einzig und alleine Gerstenmalz, Hopfen und Wasser zu verwenden sei („allain Gersten, Hopfen und Wasser genommen und gepraucht sölle werden“) – das Reinheitsgebot, das älteste Lebensmittelgesetz der Welt, das bis zum heutigen Tag gültig ist, war geschaffen.

Die Einteilung der Biere
Im Zuge der industriellen Revolution ergaben sich auch große Fortschritte für die Bierwirtschaft. Die erste mit Dampf getriebene Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth 1835 hatte eine kostbare Fracht an Bord: Bier. Diese revoltierende Transportmöglichkeit und der daraus resultierende Ausbau des Schienennetzes ließ den Handel mit Bier weiter florieren.

Louis Pasteur (1822-1895), französischer Chemiker und Mikrobiologe, beschäftigte sich bei seiner wissenschaftlichen Arbeit mit Mikroorganismen in der Hefe und ihrer Rolle beim Brauprozess. Seine Forschungsergebnisse führten zu bahnbrechenden neuen Erkenntnissen für die Bierproduktion: Bis dahin hatten die Pilzkulturen ihre Aufgabe beim Brauen eher unkontrolliert verrichtet, was oft zu unbrauchbaren bzw. ungenießbaren Ergebnissen führte. Pasteur entdeckte, dass es zwei unterschiedliche Hefearten gibt: ober- und untergärige. Die untergärige Hefe sinkt gegen Ende des Gärungsprozesses zu Boden, während die obergärige aufgrund ihrer größeren Zelloberfläche von Kohlensäure nach oben getrieben wird. Die Hefearten unterscheiden sich darin, inwiefern sie Zuckerarten vergären und welche Aromastoffe sie bei der Gärung als Nebenprodukt entstehen lassen.

Zu den obergärigen Bieren gehören Ale, Altbier, Berliner Weiße, Gose, Haferbier, Kölsch und Wieß, Porter, Roggenbier, Stout, Dinkelbier, Weizenbier sowie Emmerbier; zu den untergärigen Bieren: Exportbier, Helles, Lagerbier, Münchner Dunkel, Märzen, Pils, Schwarzbier und Schwarzviertler. Daneben gibt es noch Spontangärige Biere, denen keine Hefe zugesetzt wird. Um die Gärung anzuregen, werden stattdessen die örtlichen, frei in der Luft fliegenden Hefesporen in den offenen Gärbottich genutzt,. Zu den spontangärigen Bieren gehören Gueuze, Jopenbier, Kriek und Lambic. Rauchbier stellt eine Besonderheit dar. Es kann sowohl unter- als auch obergärig gebraut werden. Es wird unter Zugabe von geräuchertem Malz hergestellt, wodurch es seinen rauchigen Geschmack erhält. Auch das Weißbierpils ist eine Biersorte, für deren Herstellung sowohl ober- als auch untergärige Hefe eingesetzt wird: Für den Weißbierbestandteil kommt obergärige und für den Pilsbestandteil untergärige Hefe zum Einsatz. Beide Bestandteile werden zunächst separat hergestellt, Endvergärung und Reifung finden dann gemeinsam statt.

„O'zapft is!“
In Deutschland gibt es zwischen 5000 und 6000 verschiedene Biersorten – das ist weltweit einzigartig. Ganz vorn bei den lokalen Spezialitäten sind die süddeutschen Bundesländer (vor allem der fränkische Raum), während in den neuen Bundesländern weniger Bier hergestellt wird. 1999 tranken die deutschen Bundesbürger 127,5 Liter Bier, 2004 waren es nur 115,5 Liter und 2007 sogar nur noch 112,5 Liter. Während der Durchschnitt in Bayern mit 155,4 Litern sehr hoch ist, beträgt der Durchschnitt in den Weingebieten der Pfalz hingegen nur 69,1 Liter. Die Nationale Verzehrsstudie II ermittelte 2008 einen Konsum von 92,3 l Bier bei Männern und 14,2 l Bier bei Frauen im Jahr.

Und sonst so?
  • Zu den stärksten Bieren der Welt gehört das mit einem Alkoholgehalt von 28 Volumenprozent das in den USA gebraute Barley Johns Rosies Ale. Der Alkoholgehalt ist so hoch, da das Bier dreimal nacheinander mit Kandierzucker und Champagner-Hefe versetzt wird. Laut Guinness-Buch der Rekorde ist das stärkste Bier - gemessen am Stammwürzegehalt von 33,19 Gewichtsprozent - das Vetter 33 aus dem Vetter´s Alt Heidelberger Brauhaus. Auch der Berliner Braumeister Thorsten Schoppe ist ganz vorn dabei - wenn nicht gar die Nummer 1, denn er braute mit einem Wert von 27,6 Vol% das stärkste jemals nach deutschem Reinheitsgebot produzierte Bier. 
  • In den USA wird Bier mit einem Alkoholgehalt von über 4,5 % aufgrund der vielfältigen Gesetzgebung zu alkoholischen Getränken oft nicht als beer, sondern als malt liquor verkauft. 
  • In Schweden ist Bier mit über 3,5 Vol-% nicht frei im Handel erhältlich, sondern nur in Filialen der staatlichen Kette Systembolaget. Finnland ist dabei etwas großzügiger: Hier ist Bier bis 4,7 Vol-% im freien Handel erhältlich, während höherprozentiges Bier nur in den staatlichen sogenannten „Alko“-Läden verkauft wird. 
  • Bier hat etwa 8000 Inhaltsstoffe, darunter mehr als 400 Duftstoffe. Im Vergleich dazu: Wein enthält ca. 1200 verschiedene Stoffe.

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